Oberverwaltungsgericht stoppt vorläufig Einbauverpflichtung für iMSys

Das Oberverwaltungsgericht hat mit heute bekannt gegebenem Eilbeschluss vom 4. März 2021 die Vollziehung einer Allgemeinverfügung des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mit Sitz in Bonn ausgesetzt. Mit dieser Allgemeinverfügung hat das BSI festgestellt, dass es technisch möglich ist, Messstellen für Stromverbrauch und -erzeugung mit intelligenten Messsystemen (Smart-Meter-Gateways) auszurüsten. Diese Feststellung beruht auf der Annahme, dass inzwischen auf dem Markt bestimmte, von verschiedenen Herstellern entwickelte intelligente Messsysteme verfügbar sind, die den gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf Sicherheit und Interoperabilität (Funktionalität) genügen. Die Feststellung der technischen Möglichkeit löste bundesweit zum einen für Messstellenbetreiber (insbesondere Stadtwerke) die Pflicht aus, ihre Messstellen innerhalb gewisser Zeiträume mit diesen intelligenten Messsystemen auszurüsten. Zum anderen bewirkte die Feststellung faktisch ein Verwendungsverbot für andere Messsysteme.

Nunmehr hat das Oberverwaltungsgericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf die Beschwerde eines privaten Unternehmens aus Aachen, das auch andere Messsysteme vertreibt, die Vollziehung der Allgemeinverfügung ausgesetzt. Das hat zur Folge, dass nun vorläufig weiterhin andere Messsysteme eingebaut werden dürfen. Bereits – möglicherweise auch in Privathaushalten – verbaute intelligente Messsysteme müssen nicht ausgetauscht werden.

Zur Begründung hat der 21. Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die Allgemeinverfügung mit der Feststellung der technischen Möglichkeit der Ausrüstung von Messstellen mit intelligenten Messsystemen sei voraussichtlich rechtswidrig. Die am Markt verfügbaren intelligenten Messsysteme genügten nicht den gesetzlichen Anforderungen. Sie seien hinsichtlich der Erfüllung der im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) und in Technischen Richtlinien normierten Interoperabilitätsanforderungen nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, zertifiziert. Diese Messsysteme könnten auch nicht zertifiziert werden, weil sie die Interoperabilitätsanforderungen nicht erfüllten. Dass sie den Anforderungen der Anlage VII der Technischen Richtlinie TR-03109-1 des BSI genügten, reiche nicht. Die Anlage VII sei nicht formell ordnungsgemäß zustande gekommen, weil die vorgeschriebene Anhörung des Ausschusses für Gateway-Standardisierung nicht erfolgt sei. Die Anlage VII sei auch materiell rechtswidrig, weil sie hinsichtlich der Interoperabilitätsanforderungen hinter den gesetzlich normierten Mindestanforderungen zurückbleibe. Bestimmte Funktionalitäten, die intelligente Messsysteme nach dem Messstellenbetriebsgesetz zwingend erfüllen müssten, sehe die Anlage VII nicht vor. Dies habe unter anderem zur Konsequenz, dass Betreiber von Stromerzeugungsanlagen, die nach dem Gesetz mit intelligenten Messsystemen auszurüsten seien, nicht ausgestattet werden könnten. Die dem BSI zustehende Kompetenz, Technische Richtlinien entsprechend dem technischen Fortschritt abzuändern, gehe nicht so weit, dadurch gesetzlich festgelegte Mindestanforderungen zu unterschreiten. Seien die dortigen Mindestanforderungen nicht erfüllbar, müsse der Gesetzgeber tätig werden.

Der Beschluss des 21. Senats ist unanfechtbar. Das Hauptsacheverfahren (Klage gegen die Allgemeinverfügung) ist noch beim Verwaltungsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 9 K 3784/20 anhängig. Zudem sind beim 21. Senat noch etwa 50 gleich gelagerte Beschwerdeverfahren von Messstellenbetreibern (insbesondere Stadtwerken) anhängig, in denen der Senat in Kürze entscheiden wird.

Aktenzeichen: 21 B 1162/20 (I. Instanz: VG Köln 9 L 663/20)

Quelle: https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/18_210305/index.php

 

Stimmen dazu aus der Branche können auf dem energie.blog eingesehen werden.

Peter Backes, Geschäftsführer, co.met GmbH, Saarbrücken:
Die sogenannte Markterklärung stellt einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung dar. Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz wirken jedoch stets nur zwischen den Parteien des Verfahrens. Auch wenn die Pressemitteilung des OVG Münster einen anderen Eindruck vermittelt, können wir anhand der aktuell vorliegenden Informationen nicht nachvollziehen, weshalb das OVG-Urteil vorliegend über die Parteien hinaus wirken sollte. Hier muss der Wortlaut der Entscheidung abgewartet werden, der hoffentlich zügig veröffentlicht wird. Da es sich um eine Entscheidung des OVG „nach Beschwerde“ handelt, dürfte das VG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Übrigen zunächst abgelehnt haben. Gleichwohl sind die Bedenken, die das OVG gemäß der Pressemitteilung an der Rechtmäßigkeit der Verfügung hegt, massiv. Hier wird quasi die Axt an der Wurzel angelegt. Sollte sich das VG der Auffassung des OVG anschließen – wovon auszugehen ist –, wäre in rund 50 Verfahren die Rechtswidrigkeit festgestellt. Auch wenn hier nur die Wirkung zwischen den Parteien gegeben ist, dürfte faktisch auf das BSI und insbesondere die BNetzA ein großer Druck lasten, die bestandskräftige, gleichwohl aber rechtswidrige Allgemeinverfügung aufrechtzuerhalten und daran weiteres Verwaltungshandeln zu knüpfen. Die aktuelle Pandemielage und das Wahljahr werden sicherlich die politischen Schwerpunkte anders fokussieren lassen. Daher ist durchaus eine Wahrscheinlichkeit gegeben, dass die Entscheidung über die unseres Erachtens unmittelbar nur zwischen den Parteien bestehenden Wirkung mittelbar durchaus massive Konsequenzen nach sich ziehen wird.

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